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Lernfeld-Gestaltung 7. Selbstständigkeit |
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1. Eine Erziehung zur Selbstverantwortung und zur Selbstständigkeit ist auch eine Erziehung zur Stärkung des eigenen Selbst. Dann ist der Schüler für sich verantwortlich, für sein Tun und für sein Lassen, für seine Motivation, für sein Auswählen, für sein Wollen, für seine Fragen und für seine Antworten. Und weil das andere Menschen für ihn nicht erledigen können, haben sie bei sich anzufangen. Das ist der Preis der Freiheit. Wenn der Schüler diese Freiheit bewusst nicht will, dann hat er sich entschieden und muss die daraus folgenden Konsequenzen tragen.
2. Wir können die Schüler nicht verändern. Wir können nur Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie sich individuell und gemeinschaftlich positiv entfalten können. Das sind die Rahmenbedingungen und Lernsituationen, in denen Unterschiede nicht nur geduldet, sondern wünschenswert sind. Schüler sind keine trivialen Maschinen, die nach einer Input-Output-Regel funktionieren. Persönlichkeit muss sich frei entscheiden können und ist nicht an Gleichheit interessiert. Die eigenen Interessen sind der Ausgangspunkt für diese Entscheidung und nicht fremdbestimmtes Anordnen. Aus diesen Quellen wird die Selbstverantwortung gespeist. Verantwortung für die eigenen Interessen zu übernehmen, ist ein erster, wichtiger Schritt. Dann kann der Schüler sich auch mit seinen bekannten Schwächen und Stärken in ein Team einfügen – aber auch nur dann.
3. Die Kraft und Energie zur Selbstorganisation im Unterricht erhalten die Schüler durch Selbstvertrauen. D.h., dass sie ein Vertrauen in die Bewältigung ihrer Aufgabe entwickeln. Daraus entwickelt sich eine Individualkompetenz, die die Grundlage für weitere Kompetenzen bildet (z.B. Team-Kompetenz u.a.m.). Somit gehört die Individualkompetenz zu den Basis- oder Kernkompetenzen, die notwendig werden für ein gesundes wirtschaftliches und gesellschaftliches Zusammenleben.
4. Durch die im Lernprozess gemachten Erfahrungen, dass man gemeinsam an einer Aufgabe arbeitet, gemeinsam nach Fehlern sucht und sie verbessert, entsteht eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft, die sich aus dem Inneren der Klassengemeinschaft entwickelt ("Morphologisches Feld"). Dieser Prozess ist für die Lernenden (Schüler) so nicht erkennbar. Dieser Prozess ist durch den Lehrer direkt nicht steuerbar. Er entsteht durch Vertrauen. Einen Weg gemeinsam gegangen zu sein, ist die eigentliche Bedeutung dieses Lernprozesses. Nur hier entwickelt sich gemeinsame Freude und Hingabe am Mitmachen. Und das stärkt eine Klassengemeinschaft sehr. Die Schüler entwickeln und bestimmen im Verlauf des Lernprozesses ihre eigenen Leistungskriterien, die sie erreichen und wenn möglich, übertreffen wollen. Deshalb ist es wenig hilfreich genau vorformulierte Ziele/Standards festzulegen.
(Poster)
5. Fremdbestimmten Zielen fehlt der Anreiz, der Motor für das eigenständige Handeln. Was wir als Lehrer erhalten ist eine fremdbestimmte Anpassungsleistung, aber niemals eine Leistung, die aus eigener Motivation entspringt. Diese Leistung (der Prozess) sollte nicht, wie in didaktischen Empfehlungen oft dargelegt, innerhalb des Lernprozesses bewertet werden. Eine Leistungsbewertung sollte am Ende einer Unterrichtsreihe vorgenommen werden. D.h., der Lernprozess und die Leistungsbewertung sind zeitlich strikt zu trennen. Prozessbewertung heißt ja, den eigentlichen Lernprozess der Schüler individuell zu beobachten und zu bewerten. Aber wie verhält sich ein Mensch, der bei einer Leistung beobachtet und gleichzeitig bewertet wird? Er setzt seine ganze Kraft dazu ein, ein möglichst gutes Bild abzugeben, ein Bild, ein Verhalten, dass dem Beobachter (Lehrer) signalisiert, der zu Beobachtende (Schüler) entspricht genau dem Verhalten, um positiv zu erscheinen. Die Leistung, die hier entsteht und bewertet wird, ist eine schauspielerische Leistung. Wollen wir das wirklich?
6. Der Unterricht muss eine Lernentwicklung der Schüler aus eigener Dynamik zulassen. Diese Lernentwicklung läuft nicht geradlinig ab und ist auch nicht prognostizierbar. Wie in der Natur gibt es auch hier Abläufe einer Metamorphose, also Phasen permanenter Umwandlung und Erneuerung, die aber für die Lernenden nicht immer deutlich abgrenzbar und bewusst sind. Für den Außenstehenden (Lehrer) sind diese Phasen kaum erkennbar. Diese lebendige Entwicklung des Lernens zu fördern, ist die vornehmste Aufgabe der Pädagogen. Lebendige Lernphasen sind nicht genau wie lineare Systeme berechenbar. Denkkategorien, die in einer mechanistischen Betrachtungsweise führend sind, kommen hier nicht vor. Da unsere gesamte schulische Ausbildung oft in streng linearen Strukturen verläuft, die wiederum lineares Denken erfordern und fördern, tun wir uns sehr schwer auf ein organisch-lebendiges Denken umzuschalten. Dieses Denken ermöglicht aber eine soziale Situation (hier: Unterricht) auch als Selbstorganisation zu begreifen, zu organisieren und damit ein Stück Lebendigkeit im Lernprozess zuzulassen.
7. Bei einer Erneuerung des Unterrichts geht es vorrangig nicht so sehr um die Erweiterung der Methodenvielfalt, sondern es geht um ein völlig anderes Verständnis von Lehren und Lernen. Unsere traditionelle Lehr- und Lernkultur wird von allen Seiten massiv in Frage gestellt.
8. Wo lernen wir denn etwas über den Lernprozess, über sein Wesen und seine Bedeutung? Wer sagt uns, dass der Lernprozess ein durchaus schmerzlicher Vorgang sein kann? Wer hat in der Schule je erfahren, dass der permanente Neuanfang, das ständige Verlernen ein Grundpfeiler des Lernens ist? Wann haben wir an uns erlebt/erfahren, dass Lernen in erster Linie das Feuer, die Liebe zu einem gewählten Thema/Inhalt voraussetzt?
9. Selbst wenn wir veränderungswillig sind, suchen wir nach Neuerungen und Lösungen innerhalb unserer konditionierten Strukturen und werden dadurch Opfer unserer eigenen Ideologie. Wir suchen nach Stabilität und finden nur Chaos. Wir suchen immer etwas "dort draußen", also außerhalb von uns. Warum hat man uns unfähig gemacht, in uns nach Lösungen zu suchen? In welchem Zeitraum und welcher Art der Ausbildung bringt man uns bei, immer nach Lösungen außerhalb von uns zu suchen? Diese Frage müssen wir uns stellen, wenn wir zu langfristigen Lösungen, zu wirklichen Neuerungen kommen wollen. Der bevorstehende Wandel ist qualitativ hauptsächlich ein Wandel im Denken, ein Wandel des alten Paradigmas und der eigenen Glaubensmuster. Und schon stellt sich ein neues Problem ein. Es darf zu keinem Wandel von Glaubensmustern kommen, die anschließend ein neues Dogma verkünden. Damit ist nichts gewonnen – im Gegenteil. Die alten Strukturmechanismen ergreifen das "Neue" und zementieren nur ein anderes Denken. Das Neue muss den Charakter des Fließenden, des stetig Wandelbaren, des ständig Veränderbaren in sich tragen. Es darf also keine festen Strukturen, keine ewigen Wahrheiten mehr geben. Alles hängt vom Augenblick, von der selbstdefinierten Situation, vom Kontext der subjektiven Situation ab. Und diese selbsterschaffene, selbstgewollte Komplexität müssen wir als Teil der Problemlösung sehen, annehmen und lieben.
10. Wir können aber nur das an unsere Schüler weitergeben, was wir selber in uns haben. D.h., wir selber haben uns für unsere Arbeit, für unsere Ausbildung und für die Ausbildung unserer Schüler zu qualifizieren. Wir übernehmen die Verantwortung für uns und für unser Lernen. Dieses ist kein abgeschlossener, sondern ein lebenslanger Prozess für uns und unsere Schüler. Lasst uns nicht auf die Schulleitung warten, auf die Bezirksregierung, auf das Kultusministerium oder auf evtl. kommende Fortbildungsveranstaltungen. Fangen wir selber bei uns an! - Heute! - Jetzt! - Worauf warten wir? |
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Kontakt: Rudolf B. Wohlgemuth Königsberger Str. 24 26160 Bad Zwischenahn
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